Was war zuerst da?

Der kranke Körper oder der kranke Geist?
Das Zusammenspiel von psychischen und körperlichen Beschwerden


Dass Schmerzen Auswirkungen auf den Gemütszustand einer Person haben können, ist wohl vielen bekannt. Ist es aber auch umgekehrt möglich, dass sich emotionales Unwohlsein körperlich manifestieren kann?

Hiervon gehen Vertreter der Psychosomatik aus. Ob Verspannungsbeschwerden im Nacken, ein stechender Schmerz zwischen den Schulterblättern oder im Bereich der Lendenwirbel, Rückenschmerzen können in verschiedenen Formen und an unterschiedlichen Stellen auftreten. So gut wie jeder hat schon mindestens einmal Rückenbeschwerden verspürt und etwa jeder Fünfte leitet chronisch darunter. Die Ursachen dieser Beschwerden sind nicht immer leicht zu finden, denn manche Untersuchungen weisen darauf hin, dass etwa 85 Prozent der Beschwerden psychosomatische Ursachen haben könnten.

Körper und Geist bilden eine Einheit

Der Begriff Psychosomatik stammt aus dem Griechischen und bedeutet Seele (Psyche) und Körper (Soma). In der Psychosomatik geht es also darum, den Einfluss des Seelischen auf körperliche Erkrankungen und vice versa herauszufinden. Als besondere Herausforderung der psychosomatischen Medizin gilt es, den tatsächlichen Auslöser von bestehenden Leiden zu entdecken und dementsprechend eine angemessene Behandlung aufzustellen. Dabei rücken Faktoren wie soziale und sozioökonomische Umstände des Betroffenen, Stress und seine familiäre Situation bei der Beurteilung des emotionalen und körperlichen Befindens sowie der darauf folgenden Behandlung in den Vordergrund.

Faktor Stress nicht unterschätzen

Stress wird von Betroffenen nicht immer bewusst wahrgenommen und kann daher so einiges im Körper bewirken, vom Herzklopfen über Bluthochdruck bis zu chronischem Rückenleiden. Um körperliche Beschwerden erfolgreich behandeln zu können, ist es daher wichtig, den Beschwerdeauslöser Stress als solchen zu erkennen. Eine Therapie würde dann darauf abzielen, Stress aktiv zu bewältigen, beispielsweise mithilfe von Entspannungsübungen, Sport oder sofern möglich, indem Stress auslösende Faktoren vermieden werden. Lässt man die Komponente Stress mit den einhergehenden körperlichen Symptomen außer Acht, so wird die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit voranschreiten bzw. immer wieder auftreten.

Beschwerden nicht auf die leichte Schulter nehmen

Es ist äußerst wichtig, die Beschwerden sowie auch die Betroffenen von psychosomatischen Erkrankungen ernst zu nehmen. Aber gerade dies ist oft problematisch, denn seelische Belastungen und die daraus entstehenden funktionalen Beschwerden, die ja anfangs z. B. in einem Röntgenbild nicht nachzuweisen sind, werden dann als „Einbildung“ abgetan und die Betroffenen als Simulanten bezeichnet. Dadurch verstärkt sich der seelische Leidensdruck der Betroffenen zusätzlich noch und sie fühlen sich noch frustrierter. Dabei sollte man Beschwerden mit psychosomatischem Ursprung auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, schließlich ist es möglich, dass sich diese mit der Zeit körperlich manifestieren. Sprichwörtlich ist oftmals die Rede davon, dass jemand eine schwere Last zu tragen hat. Damit muss nicht unbedingt eine physische Last gemeint sein, sondern es kann sich auch um eine seelische Belastung, also um große Sorgen oder Schuldgefühle handeln. Diese Metapher kann man jedoch wörtlich nehmen, wenn die seelische Last den Rücken so stark belastet, dass sich schließlich Schmerzen bemerkbar machen. So ist es also möglich, dass sich Beschwerden, welche anfangs auf einen psychosomatischen Ursprung zurückzuführen waren, zu einer nachweisbaren körperlichen und morphologisch veränderten Erkrankung entwickeln. Für eine effektive Behandlung wird daher neben einer spezifischen Diagnose auch eine Therapie notwendig, die auf beide Ebenen, die emotionale wie auch die körperliche, eingeht. Dies stellt eine wichtige Aufgabe der psychosomatischen Medizin dar.

Schmerzen und Depressionen

Wenn es im Rücken schmerzt, leiden darunter oft auch die gute Laune und die Stimmung des Betroffenen. Bei vielen Menschen mit chronischem Leiden können sich (leichte) Depressionen entwickeln, die Rückenschmerzen sogar noch verstärken. Hierfür verantwortlich sind chemische Prozesse, die in der Regel bei depressiven Zuständen die Ausschüttung von schmerzstillenden Opiaten hemmen, wodurch Beschwerden viel intensiver wahrgenommen werden. So entsteht also ein Teufelskreis: Ständige Rückenschmerzen können Depressionen hervorrufen, diese erhöhen wiederum die Schmerzempfindlichkeit, was das emotionale Befinden des Betroffenen beeinflusst. Als besondere Herausforderung gilt es dann, alle bestehenden Leiden erfolgreich zu behandeln.

 

Der Ursprung von Psychosomatik

Die Psychosomatik hat ihren Ursprung in der Psychoanalyse. Bereits Sigmund Freud ging davon aus, dass das Verdrängen von unerträglichen psychischen Zuständen auf die körperliche Ebene übergehen kann. Ein weiterer Begründer war Thure von Uexküll, der sich dafür einsetzte, Verständnis für dieses Fachgebiet aufzubauen und allgemeine Akzeptanz zu etablieren

Einzug in die Medizin im Verzug

Es bestehen Bestrebungen, die Ansätze der Psychosomatik – eben, dass Körper und Geist nicht voneinander zu trennen sind, sondern immer zusammenspielen – vermehrt in der Medizin anzuwenden. Dennoch wird dies nur in seltenen Fällen berücksichtigt, denn meist konzentriert man sich doch, wie traditionell üblich, stärker auf die Diagnose von körperlichen und somit nachweisbaren Ursachen. Psychologische Faktoren werden, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt mit einbezogen. Auch in der Therapie behandelt man leider meist nur die körperlichen Beschwerden und psychologische Aspekte werden meist ausgeblendet.

Damit es nicht so weit kommt

Es ist wichtig, seinen Körper zu kennen, um zu erkennen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dass im Leben ein bestimmtes Gleichgewicht und eine sogenannte Work-Life-Balance besteht. Diese Balance umfasst einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus, vernünftige Essgewohnheiten, regelmäßige Bewegung sowie Abwechslung von Aktivität und Muße, von Sozialkontakten und Alleinsein und vom grauen Alltag und Festivitäten. Lebt man nämlich „mit sich selbst im Einklang“, so sollte sich dies auch gesundheitlich widerspiegeln.

 von Nathalie Podda